Saisonabschlussskitour

Eine Skitour Ende Juni hört sich sehr verlockend an, zum einen entkommt man der Sommerhitze, zum anderen erspart man sich den lästigen Abstieg einer normalen Bergtour. Außerdem fehlte bis jetzt noch ein würdiger Abschied für die Skitourensaison. Daher bedurfte es keiner großen Überlegung das letzte Bergwochenende vor der finalen Klausurenvorbereitung mit einer Abschlussskitour zu versüßen. Aufgrund der mageren Restschneelage wurde schnell der Flüelapass als Startdestination auserkoren. Eines zwei Tage alten Berichtes zufolge, würde es genügen die Skier 150 Höhenmeter zu tragen, bis man eine geschlossene Schneedecke vorfindet. Die nicht kurze Anreise und das für den Nachmittag drohende Gewitter drängten uns zu einem frühen Aufbruch.

Nach einem kurzen Frühstück war es dann so weit, die Ski waren verladen und die Vorfreude auf den Tag glich die Restmüdigkeit mühelos aus. Nachdem sich die am Fenster vorbeiziehende Landschaft vom lieblichen Hügelland der Voralpen, über die ersten bergigen Aussichten des Rheintals bis hin zu den schroffen Wänden der Surselva gewandelt hatte, erreichten wir den Fuß des Flüelapasses. Je höher wir kamen desto größer wurde die Vorfreude, doch auch die Zweifel mehrten sich, bisher hatten wir noch kein Schnee erblickt. Am Ausgangspunkt der Tour erwägten wir kurz die Möglichkeit ohne Skier zu starten, da immer noch kein Schnee in Sichtweite war.

Letzten Endes befestigten wir doch die Ski am Rucksack. Nach Aufsetzen von selbigem, musste ich mir eingestehen, dass es nicht die beste Idee war neben der Skiausrüstung sämtliche Kochutensilien, das große Teleobjektiv samt Stativ in meinem Rucksack zu verstauen. Mit der Hoffnung nach 150 Höhenmeter den Rucksack, um die Skiausrüstung zu erleichtern ging es bei Sonnenschein in kurzer Hose und T-Shirt los. Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich bis dato einen schwereren Rucksack getragen hatte, es kam mir keine Tour in den Sinn, wo das gewesen sein könnte. Doch die Aussicht auf dem Gipfel eine Suppe zu kochen und das Teleobjektiv auszuprobieren verdrängten diesen Gedanken. Langsam, aber sicher begannen wir an der Richtigkeit des Berichtes, der uns den Schnee verspricht, zu zweifeln, immerhin hatten wir schon 80 der 150 Höhenmeter erstiegen. Kurz darauf gelangten wir, nach dem ersten Aufschwung, in ein Hochtal und konnten in einiger Entfernung tatsächlich eine geschlossene Schneedecke ausmachen, die Erleichterung über das doch-vorhanden-sein des Schnees war groß, die Vorfreude, nach einer Corona bedingten Skipause, endlich wieder Skier unter die Füße schnallen zu können riesig. Wenige Meter später tauchte ein Schneeband in unserem Blickfeld auf, welches uns zu der Schneedecke hätte führen können, oder auch nicht, wir konnten es nicht beurteilen, da eine Kuppe uns den Blick versperrt, die grobe Richtung stimmte jedoch, Grund genug unsere Schritte in Richtung des weißen Bandes zu lenken. Eine Bachüberquerung später, die Glücklicherweise durch ein langes Brett und ein paar Steine erleichtert wurde, standen wir am Rande des Schneefeldes und tauschten die Laufschuhe gegen Skitourenschuhe und Ski.

Mit deutlich leichterem Rucksack stiegen wir nun weiter, dankbar das Privileg zu besitzen im Juni noch in den Schnee flüchten zu können. Während wir die Kuppe umschritten öffnete sich uns der Blick auf unser Ziel, das Radüner Rothorn. Dabei wurde ersichtlich, dass uns das Schneeband geradewegs zu der geschlossenen Schneedecke führen würde, lediglich ein paar Mannshohe Steine durchbrachen das Band und zwangen uns die Ski abzuschnallen und über sie hinweg zu tragen. Die nächsten Höhenmeter genossen wir die Sonne, den Schnee, der immer zahlreicher lag, und das Panorama, bis wir einige Zeit später vor einem schmalen, steilen und im unteren Teil ausgeaperten Couloir standen. Das bedeutete die Ski ausziehen und tragen, bis der Schnee wieder anfängt. Wieder im Schnee hieß es sich Spitzkehre um Spitzkehre hochkämpfen, im Weg liegende Felsen zwangen uns, an eine Spitzkehre direkt die nächste zu reihen. Nach dem dreiviertel des Couloirs bewältigt waren, war mein Ehrgeiz das Couloir komplett mit Ski zu bewältigen aufgebraucht, und mein Drehwurm so ausgeprägt, dass ich mich dazu entschloss den Rest des Couloirs per pedes zu ersteigen. Kurze Zeit später, die Ski wieder an den Füßen, erblickten wir die alternative, entspannte Aufstiegsmöglichkeit, die uns vor einem Drehwurm bewahrt hätte, aber was wäre das Leben ohne Herausforderung. Mittlerweile waren wir ungefähr 200 Höhenmeter unterhalb des Gipfels, ein Blick auf die Uhr und das Regenradar später entschlossen wir uns kurz zu rasten und dann abzufahren, schließlich wollten wir nicht in das nahende Gewitter geraten.

Um es nicht umsonst mitgenommen zu haben, schoss ich noch ein paar Testfotos mit dem Teleobjektiv, während der Rest genüsslich die Kekse verzehrte. Nach einem letzten Wehmütigem Blick in Richtung Gipfel, setzen wir die ersten Schwünge in den Schnee. Auch wenn die ersten Abfahrtsmeter nach fast zwei Monaten gewöhnungsbedürftig waren, durften wir eine perfekte Firnabfahrt genießen. Am Ende des Schnees angekommen, wurde der Himmel zusehends dunkler, doch auch die Abstiegsmeter, die wir zu Fuß zurücklegten, blieben wir glücklicherweise trocken. Erst als wir im sicheren Auto saßen fielen die ersten Tropfen herab. Obwohl wir den Gipfel nicht erreichten, war es eine würdige Saisonabschlusstour, die endgültig den Sommer eingeläutet hat. Mit diesem schönen Gefühl ging es wieder zurück in die Sommerhitze und Klausurvorbereitung.

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